"Mit den Rundfunknetzwerken der römisch-katholischen Kirche in Venezuela und der Frage, inwieweit Charakteristiken eines öffentlich-rechtlichen Rundfunkideals realisiert werden können, befasst sich dieser Beitrag. Die Hauptthese lautet, dass Rundfunk mit einem öffentlich-rechtlichen Anspruch in Venezuela nicht vom Staat, sondern durch andere Institutionen und Organisationen, wie zum Beispiel die römisch-katholische Kirche, wahrgenommen und ausgeübt wird. Im Gegensatz zu gängigen Erwartungen konzentrieren sich diese Anstalten nicht nur auf einen Missionsauftrag, sondern bieten in einigen Fällen öffentlich-rechtliche Inhalte, die westlichen Standards Stand halten. Radiosender wie zum Beispiel Fe y Alegría (Glaube und Freude) und Fernsehsender wie Niños Cantores del Zulia (NCTV) offerieren Programme, deren Inhalte in die von John Reith für die BBC definierten Aufgaben von Bildung, Information und Unterhaltung passen. Die katholische Kirche verfügt in Venezuela über ein weitläufiges Rundfunknetzwerk, das elf UKW- und Mittelwelle-Radiosender sowie einen Fernsehsender (NCTV) umfasst. Darüber hinaus arbeitet das Radionetzwerk Fe y Alegría mit zwanzig weiteren Sendern zusammen. Was diese Konstellation betrifft, ist Venezuela keineswegs ein Einzelfall. Allein in Lateinamerika besitzt die katholische Kirche eine hohe Anzahl an Print- und Rundfunkmedien. Auch andere mediale Unternehmungen wie familienorientierte Theater und Medien auf kommunaler Ebene gehören ihr oder werden finanziell unterstützt. In Bolivien galt die katholische Nachrichtenagentur Fides für lange Zeit als eine der wenigen glaubwürdigen Quellen. Dies trifft ebenso auf den chilenischen Fernsehsender Kanal 13 zu, der sich im Besitz der katholischen Kirche befindet. Allerdings scheinen öffentlich-rechtliche Inhalte vor allem in Venezuela umgesetzt zu werden. Radiostationen wie Fe y Alegría und La Voz de la Fe und Fernsehsender wie Niños Cantores del Zulia waren und sind auch heute noch von entscheidender Bedeutung im Hinblick auf die Umsetzung öffentlich-rechtlicher Rundfunkideale. Sie bringen familienorientierte Programme, fördern eine gemeinsame, landesweite Wertevorstellung, unterstützten Tausende (wenn nicht Hunderttausende) beim Erlernen von Lesen und Schreiben und vermitteln Wissen darüber, wie man das Land bearbeitet und ausgewogen und gesünder lebt." (Seite 148-149)